Ein Stück Bergwerksgeschichte kommt ans Tageslicht

Tagebau schaufelt altes Bergwerk Union 103 frei

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Streckenvortrieb
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Batterielok
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Erstanschnitt vom Streckennest
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Rückbau von Schacht II
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Innenansicht von einem Teil des Streckennetzes
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Im Gotthard-Tunnel muss eine Neonröhre gewechselt werden. Was machen die Ostfriesen? Sie tragen den St. Gotthard ab und öffnen die Tunnelröhre von außen. Ähnlich bizarr läuft es scheinbar bei der ehemaligen Versuchsschachtanlage „Union 103“: Das von 1941 bis 1955 aktive Bergwerk wird seit 2011 vom Tagebau Hambach freigelegt und weggeräumt – ein weltweit vermutlich einmaliger Vorgang.

Immer wieder treffen die Bergleute Teile der rund elf Kilometer langen Strecken an. Weil die alten Pläne lückenlos erhalten sind, wissen Sie ganz genau, wo die Schächte und Stollen liegen. In den letzten Wochen waren gleich drei Stollen auf der sechsten Sohle des Tagebaus freigelegt, rund 300 Meter unter der Geländeoberfläche. Schichtleiter Guido Papenfuß und sein Team mussten die Stahlbögen, Betonwände und Holzverschalungen im Sonderbetrieb entfernen, also mit Kleinbaggern und mit viel Handarbeit. Der große Schaufelradbagger hätte sich mit den sperrigen, spitzen Kleinteilen die Förderwege beschädigt.

"Hut ab vor unseren Vorgängern", sagt Guido Papenfuß respektvoll. "Die Bergleute haben die Strecken damals sehr sorgfältig und sehr solide aufgefahren, und das mit Hacke, Schaufel und Lore." Sein Kollege Stefan Hamacher ergänzt: "Und Akkuschrauber zum Festziehen der Schrauben für die Stahlbögen hatten die auch nicht." Die Hohlräume hielten selbst über die vielen Jahrzehnte dem Gebirgsdruck stand, so dass die Gänge an vielen Stellen begehbar blieben. Nur an wenigen Stellen durchbrach die Braunkohle den Beton.

Braunkohle im Tiefbau unsicher und unwirtschaftlich

Doch alle Mühe war vergebens: In den 50er Jahren wurde der Versuch, die tiefliegende Braunkohle untertägig zu gewinnen, abgebrochen. Der Tiefbau war unsicher und unwirtschaftlich. Die Schachtanlage wurde geschlossen und geflutet. Das Feld „Union 103“ mitten im Hambacher Forst, aber direkt an der Bahnstrecke Neuss-Düren gelegen, wurde aufgegeben, ohne dass es je zu einer regulären Braunkohlengewinnung gekommen wäre. Die rund 200 Mitarbeiter mussten sich neue Jobs suchen.

„Es war mit den damaligen Mitteln äußerst schwierig, die Strecken im Bereich geologischer Störungen aufzufahren“, berichtete der Hambacher Bergbauingenieur Tim Jaetzel vor einigen Jahren. „Außerdem gab es immer wieder Wassereinbrüche aus dem nicht entwässerten Deckgebirge.“ Zudem zeichnete sich ab, dass es mit einer verbesserten neuen Entwässerungs- und Tagebautechnik gelingen würde, die Kohle im Tagebau zu gewinnen. Es ist genau die Technik, mit der die Kollegen im rheinischen Braunkohlenbergbau heute arbeiten.

Reste des Bergwerks bleiben erhalten, "weil der verbliebene Hambacher Forst nun doch nicht abgebaggert wird", berichtet Tagebau-Ingenieurin Natalie Drießen. Die Gänge sollen mit Beton verfüllt werden, damit kein Lost-Places-Fan auf dumme Gedanken kommt. Besuchbar sind die Stollen dennoch: Im Bergbaudenkmal Grube Adolf in Merkstein bei Herzogenrath wird eine kleine Strecke mit den originalen Hambacher Stahlbögen wieder aufgebaut. 

Hintergrund (aus der Chronik "Unternehmen Braunkohle" von Arno Kleinebeckel, 1984):

Vor dem Krieg und noch während des Krieges war man (...) der Auffassung, dass im Tagebau die Abbaugrenze bei einer Mächtigkeit des Deckgebirges von 80 bis 100 Metern liege. In größeren Teufen war vor allem die Entwässerungsfrage nicht gelöst. Um die Möglichkeiten zu prüfen, die Braunkohle unter Tage abzubauen, war im Jahre 1939 die Rheinische Braunkohlentiefbaugesellschaft mbH gegründet worden. Von dieser Gesellschaft war eine Doppelschachtanlage von bis zu 330 Metern Teufe im Bereich des Hambacher Forstes niedergebracht worden; einen weiteren Tiefbauversuch hatte es im Felde Donatus gegeben.

Die Versuche, Braunkohle im Untertagebau zu gewinnen, wurden 1954 endgültig eingestellt. Die Ausweglosigkeit der Versuche war allen deutlich geworden; die Gründe für das Abrücken vom Tiefbau waren einmal die mangelhafte Leistung: trotz großer Anstrengung waren die erforderlichen Fördermengen nicht zu erbringen. Die Möglichkeit, Maschinen einzusetzen, ist unter Tage eingeschränkt, und selbst bei höchstmöglicher Mechanisierung wären die Leistungen zu gering, die Gewinnungskosten zu hoch ausgefallen. Zum anderen waren die Abbauverluste zu groß; man hätte bei den großen Flözmächtigkeiten (bis 70 Meter ) aus abbautechnischen Gründen auf einen wesentlichen Teil des Inhalts der Lagerstätte verzichten müssen. Vor allem aber waren die sicherheitlichen Probleme für die Belegschaft und für die Tagesoberfläche beim Abbau unter den wasserführenden, lockeren Gebirgsschichten nicht lösbar.